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Gedanken zum Miteinander

Es gibt sie immer mal wieder im Leben … die Zeiten, in denen alles einfach mal zu viel wird. Das sind die Zeiten, in denen die Kräfte schwinden, die Herausforderungen aber wachsen … und wachsen … und wachsen. Wir wünschen uns eine Auszeit, Unterstützung, Verständnis. Oder wenigstens ein liebes Nachfragen, eine ernst gemeinte Umarmung oder einfach jemanden, der zuhört. Das ist es doch, was wir uns alle wünschen und doch nicht bekommen. Das ist zumindest unsere oft so traurige Erfahrung. 

 

Ich (Robin) habe vor vielen Jahren bei einer S-Bahnfahrt zwei älteren Damen zugehört, die sich über Freundschaft unterhielten. Die eine der beiden meinte: Wahre Freundschaft ist es, wenn der andere auch einmal ehrlich nachfragt, wie es einem geht. Und die Antwort auch wirklich hören will, denke ich mir dabei.

 

Seit diesem Tag habe ich dieses Nachfragen fest in mein Leben integriert. Und auch das Hören der Antwort. So versuchen wir beide durchs Leben zu gehen … aufmerksam, nachfragend, zuhörend.

 

Das wird für uns eine immer größere Herausforderung, denn genau das erfahren wir leider nur selten … Aufmerksamkeit, Nachfragen, Zuhören. Wir haben das Gefühl, dass es in unserer Gesellschaft ein absolutes Tabu ist, schlecht drauf zu sein. Bist du fröhlich, alberst du rum, geht es dir gut - dann ist man gern in deiner Gesellschaft. Aber oh Wehe, dir geht es schlecht oder du wagst dir bedrückt zu wirken bei einem Ausflug oder Familientreffen. 

 

Was passiert in diesen Momenten? … Nichts! Und nichts kann schlimmer sein, wie wir finden. So oft wurden wir gerade in unseren dunklen Phasen gemieden und ignoriert. Gerade dann, wenn wir auch nur die liebevolle Umarmung gebraucht hätten, wurde sie uns nicht gegeben. Wir fragen uns: Warum denn aber nicht? Warum nur tut ihr euch so schwer damit, auf Traurigkeit und Niedergeschlagenheit zu reagieren? Warum flüchtet ihr euch ins Nichtstun und ins Totschweigen?

 

Vermutlich muss ich den Begriff der „Spaßgesellschaft“ hier bringen. Eine Gesellschaft, die auf Freude und Erlebnis getrimmt ist. Eine Gesellschaft, die vielleicht soziale Kontakte nur dann akzeptiert, wenn diese unmittelbare Freude bringen? Ja es ist unangenehm - und ja, es ist nicht einfach auf negative Gefühle meiner Mitmenschen zu reagieren aber es ist einfach auch notwendig und die Grundlage für ein wertvolles Miteinander. Ich bin nicht nur dafür da, dir Spaß und Freude zu bereiten oder so zu funktionieren, wie es dir in einem Moment am besten gefallen würde! Ich bin ein Mensch, mit allen Auf und Abs. 

 

Wir wünschen uns für uns alle, dass wir mehr aufeinander achten. Dass wir die Zeichen erkennen, sie wirklich wahrnehmen und darauf reagieren. Gerade die Familie sollte doch die Gemeinschaft sein, die mich auffängt, wenn es mir nicht gut geht. Aber gerade auch dort, haben wir oft das Gefühl, dass wir nur an der Oberfläche schwimmen und gemeinsam nicht in die Tiefe eintauchen. Nur in der Tiefe erkennen wir einander und können füreinander da sein.

 

Als wir 2021 unsere Hochzeitsreise nach Tansania machten, hat uns eine Tatsache sehr beeindruckt … der Wert der Familie. Es gibt dort eine tolle Tradition, dass die Familie regelmäßig zu einer Art Familienrat zusammen kommt und alle Sorgen und Nöte gemeinsam miteinander bespricht und eine Lösung findet. Man achtet aufeinander, man ist füreinander da und unterstützt sich. Warum aber können wir das hier in Deutschland so selten? Es mag sie geben, die Familien und Freundeskreise in denen so ein Zusammenhalt gelebt wird. Aber wir wagen zu behaupten, dass dies doch leider die Ausnahme bildet.

 

Ein für uns wichtiges Gut ist auch die Ausgeglichenheit zwischen Geben und Nehmen. Oft bemerken wir, wie wir geben. Geht es Freunden nicht gut, sind wir da … helfen, umarmen, sprechen miteinander. Das kann anstrengend sein, aber wir denken, es lohnt sich. Traurig ist nur, wie ganz plötzlich der Kontakt wieder ganz ganz leise und ruhig wird, wenn es dem Betroffenen wieder besser geht. Er hat wieder mehr Kraft und richtet sich auf sein Leben. Aber vergisst er, auch auf den Helfenden zu achten? Wie geht es dem denn eigentlich? Braucht der mich vielleicht? Kann ich ihm etwas zurück geben?

 

Bitte lasst uns doch aufwachen und wieder mehr miteinander und nicht nur jeder für sich sein. Lasst uns darauf achten, wie es unseren Lieben geht. Lasst und nachfragen, lasst uns aufmerksam sein. Und lasst uns den Mut haben, auch die unangenehmen Gespräche zu führen. Lasst uns wieder mehr zu einer Gemeinschaft zusammen wachsen … in der Familie, unter Freunden, auf der Straße.

 

Dieser Beitrag soll etwas beschreiben, dass uns so oft fehlt. Er soll nicht anklagen, er soll anstoßen … nicht nur euch, auch uns selbst. Wir sind doch nicht perfekt. Wir sind doch nicht diejenigen, die das, was wir uns hier selbst wünschen, immer genau so leben. Oft fehlen Kraft und ein freier Blick. Wir sollten uns auch davor hüten, andere bewerten, wenn sie unsere Erwartungen nicht erfüllen, denn wie viel wissen wir denn wirklich voneinander? Niemals so viel, um werten zu können! Aber genau deshalb kann es doch unsere Chance sein, mehr voneinander zu erfahren und näher zueinander zu rücken, um diese Kluft kleiner werden zu lassen und uns besser verstehen zu können. 

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Kommentare: 4
  • #1

    Karin schulze (Sonntag, 26 Mai 2024 18:47)

    Es sind wahre Worte die du geschrieben hast. Unsere Gesellschaft denkt im großen und ganzen nur an dich. Es ist eigentlich ganz einfach zu fragen wue es einen geht oder man wird mal gedrückt. Deswegen ist in der heutigen Zeit Freundschaften sehr wichtig wenn sie ehrlich gemeint sind. Wir alle haben unsere Probleme und es tut gut wenn man jemanden hat mir dem man darüber reden kann. Ich wünsche das es noch solche Menschen viel gibt.

  • #2

    Kafasiti (Sonntag, 26 Mai 2024 18:56)

    Ein sehr guter Beitrag zur Selbstreflektion.
    Deine Worte gehen so tief.
    Die Idee vom Familienrat finde ich sehr erstrebenswert.
    Fühlt euch gedrückt und verstanden

  • #3

    Sylvia (Montag, 27 Mai 2024 22:34)

    "Warum nur tut ihr euch so schwer damit, auf Traurigkeit und Niedergeschlagenheit zu reagieren? Warum flüchtet ihr euch ins Nichtstun und ins Totschweigen?"

    Meiner Erfahrung nach liegt es an der Überforderung des Gegenübers mit "negativen" Gefühlen umgehen zu müssen. Dann folgt oft direkt das Syndrom von alles muss schnell besser werden und Gefühle werden abgesprochen... Diese Gefühltsstarre und das "unempatisch sein" rührt denk ich mal noch aus den Nachwehen der Kriegszeiten als Schutzmechanismus. Unsere Eltern haben es nicht gelernt und selbst erfahren und so zieht es seine Kreise.
    Ich wünsche dir Mitgefühl und vielleicht auch Einsicht darüber, dass wir in Deutschland in diesem Kontext leben. Ich sehne mich genauso nach einem intakten Familienleben, wo ich Unterstützung und Halt erfahre.
    Alles Liebe.

  • #4

    Katharina (Dienstag, 28 Mai 2024 18:51)

    Ging mir genauso. Mir und meiner Familie hat dann eine Psychotherapie geholfen. Es gibt tolle psychologische Psychotherapeut:innen und studierte Psycholog:innen, die in solchen Fällen gerne professionelle Hilfe leisten. Echt eine Empfehlung Wert.

    Alles Liebe und viel Kraft
    Katharina