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Steffi & Matze - Wohin eigentlich mit der ganzen Freiheit?

Mathias (34) - oder auch kurz und knapp Matze genannt - und ich (Steffi, 31) sind so unterschiedlich, dass wir uns immer noch - nach knapp 11 Jahren Beziehung (7 davon verheiratet) - fragen, wie wir es schaffen, schon so lange zusammen zu sein. Und zwar sehr glücklich.

 

Denn während Mathias sein Hamsterrad in Deutschland sehr mag, gerne seiner Arbeit nachgeht, sich nach Feierabend auf seine Couch freut, am Wochenende Familie und Freunde trifft und fleißig in die Rentenkasse einzahlt, bin ich das genaue Gegenteil. Ich bin schon mit 16 ausgezogen, habe mich mit 21 Jahren allein in den Flieger nach Australien gesetzt, anschließend eine Rundreise durch Europa gemacht, viele Urlaube auf Gran Canaria verbracht und dann schließlich Mathias dazu überzeugen können, mit mir endlich mal zusammen für mehrere Monate durch Europa zu reisen. England, Schottland, Irland, Portugal, Italien, Griechenland und Kreta.

 

Und jetzt, im Juli 2022, sind wir gerade wieder auf einer längeren Rundereise durch Spanien und Portugal - dieses mal mit einem eigenen Van, den wir uns dafür umgebaut haben; und ich muss zugeben, dass es dafür ganze 6 Jahre Überzeugungskraft gebraucht hat, denn Mathias braucht seine Sicherheiten. Was auch bedeutet, dass 3-4 Wochen Urlaub im Jahr, verteilt über Monate, irgendwie schon ausreichen.

 

Ich frage mich oft, woran es liegt, dass die meisten Menschen, wenn sie die Wahl hätten, doch eigentlich viel lieber reisen möchten, anstatt im Alltagstrott festzsitzen und den langersehnten Urlaub herbeizufiebern. Deswegen habe ich mal im Bekannten-, Freundes- und Familienkreis nachgehört und auch eine Umfrage auf unserem Instagram -Account veröffentlicht, die mich näher an das Hauptproblem herangeführt hat. Nahezu jeder gab an, dass er seine Sicherheiten und seine Komfortzone nicht verlieren möchte. Ok - das scheint mir als Grund vielleicht akzeptabel. Aber für mich, als jemand der der oft, viel und gerne auch lange reist, kein Hindernis.

Ich habe deswegen nochmal nachgehakt und gefragt, woran es liegen könnte - die Angst, seine Sicherheiten aufzugeben oder seine Komfortzone zu verlassen und bin auf ein interessantes Ergebnis gestoßen.Unter allen anderen Antwortmöglichkeiten stimmte die Mehrheit für diesen Satz: "Man bekommt es von der Gesellschaft so vorgelebt"!

 

Tatsächlich habe ich diesen Satz schon oft gehört, wenn ich mich mit verschiedenen Menschen über das Leben in Deutschland unterhalte. Viele würden gern, wenn sie könnten ... und wenn dieses und jenes nicht wäre ... ein ganz anderes Leben führen, oder zumindest nur den Mut aufbringen wollen, aus ihrer Komfortzone auszubrechen, um mal einen Blick über den Tellerrand zu werfen und zu schauen, was denn hinter dem Hamsterrad noch so alles möglich ist. Denn vieles ist möglich. Langzeitreisen, alleine reisen, reisen mit Kind, reisen mit 7 Hunden, reisen als Familie, ein Fulltime-Vanlife ... Man muss es sich nur trauen.

 

Natürlich hat die Gesellschaft viel Einfluss auf einen selbst, weil die Gesellschaft eben auch beeinflussbar ist. Natürlich passt man nicht ins System, wenn man lieber heute hier und morgen dort in der Welt ist, anstatt fleißig in die Rentenkasse einzuzahlen und stattdessen auch noch viel lieber fremde Kulturen entdecken oder neue Orte sehen möchte. Und das am liebsten jeden neuen Tag. Schließlich muss man doch an später denken. Und dann sind wir zu allem Überfluss auch noch in dem Alter, in dem man schon längst ein Kind haben sollte. Was ich aber stattdessen habe, ist meine Freiheit. Und Glück im Überfluss, denn ich lerne auf meinen Reisen so viele interessante Menschen und ihre Geschichten kennen, dass diese Menschen zu meinen Freunden werden. Ich lerne auf meinen Reisen, Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, nachsichtiger zu sein, Demut zu zeigen und viel dankbarer für das zu sein was ich habe. Denn das, was wirklich wichtig ist im Leben, lernt man nicht in seiner Komfortzone und mit den immer gleichen Menschen um sicher herum. Schon gar nicht, wenn man dabei dann oft auch vergisst, an sich selber zu denken.

 

Ich schätze mein Leben mehr, bin umweltbewusster und gehe öfter Risiken ein, als irgendein anderer Menschen aus meinem Umfeld zuhause, weil sie es nicht müssen. Dabei macht unser Leben doch gerade diese Freiheit aus - Risiken eingehen, etwas überhaupt versucht haben, mal etwas Neues wagen. Oder sich gar nur die Freiheit zu nehmen, das zu tun, was einen wirklich glücklich macht, anstatt vermeintliche Verpflichtungen immer in den Vordergrund zu schieben.

 

Wohin also mit dieser Freiheit?

Sollen wir sie lieber nach Feierabend auf unserer Couch verbringen oder in den 3-4 Wochen Urlaub im Jahr, die wir vom Arbeitgeber bekommen? So, wie die Gesellschaft das eben Jahre ihres Lebens handhabt und das System es vorgibt? Oder sollen wir uns und dem Leben ein bisschen mehr Freiheit einräumen, indem wir uns trauen, ein Leben nach eigenen Maßstäben zu führen? Ein Leben, in dem wir das tun, was wir für richtig halten, völlig egal, was jemand von uns hält. Ein Leben auf Reisen, von unterwegs aus arbeiten oder einfach mal Risiken eingehen und schauen was kommt. Denn bei einem sind wir uns sicher alle einig: irgendwie muss alles ja finanziert werden.

 

Die Sache ist halt die: Jeder von uns hat es in der Hand, wie sein Leben laufen kann. Und dann, wenn wir entschieden haben, wohin wir mit unserer Freiheit wollen, werden wir eines ganz sicher sein:

 

Einen großen Schritt weiter.

 

von Stephanie Kaiser

 

Weitere Reise-Beiträge findet ihr auf unserer Instagram-Seite: @kilometerimwind


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Kommentare: 2
  • #1

    Reini (Freitag, 15 Juli 2022 07:42)

    Wow, danke für den tollen Beitrag ☺️ und sowas von erwischt �. Vielleicht sollten wir alle endlich mal anfangen zu leben . ��

  • #2

    Netti & Robin (Montag, 01 August 2022 20:56)

    Jaaaaaaa - unbedingt! Denn wir haben nur ein Leben und das ist begrenzt ... Nicht immer ist es jedem möglich, das einfach so zu tun und man muss auch nicht unbedingt mit einem Auto durch die Weltgeschichte fahren. Aber wichtig ist, die Augen zu öffnen und den Moment zu sehen - da ist so viel unglaublich Schönes - egal, ob kleine Eindrücke oder große Ereignisse ... Los geht's!